Im Kontext der „Ayayay – dieses Patriarchat“-Nachttanzdemo kam es zu überzogener Repression und Polizeigewalt. Wir haben uns im Vorfeld auf dem Blog bereits geäußert. Heute stand ein Mensch vor Gericht. Dazu haben wir eine Pressemitteilung verfasst.
„Heute fand ein Gerichtsprozess statt, in welchem eine Beleidigung verhandelt werden sollte. Zu dieser soll es am 7. März während der Nachttanzdemo gekommen sein. Angeklagt war eine Person, die in einem Redebeitrag das Wort „Bullenschweine“ gesagt haben soll. „Bereits im Vorfeld war eindeutig, dass es sich um einen Schauprozess handeln wird. Die tatsächliche Prozessführung hat uns jedoch über unsere Erwartungen hinaus schockiert.“, äußert sich Milly Meißner, Sprecherin des Kollektivs, über die Verhandlung. Die Zeug:innen, allesamt Polizeibeamt:innen eines Trupps, gaben im Verlaufe der Verhandlung an, die Angeklagte überhaupt nicht eindeutig als Rednerin des Beitrages identifizieren zu können. Ausgangssituation für die Anzeige war ein Redebeitrag auf der Demonstration, in dem die Beamt:innen glauben, das Wort „Bullenschweine“ gehört zu haben, sowie die Aussage, dass sie sich „nicht mehr sicher fühlen sollen“. Während des Beitrages wurde ein Beamter von der Einsatzleitung darauf angesetzt, die bis dato unbekannte redende Person zu identifizieren. Dieser gab jedoch an, nur gesehen zu haben, wie die dafür angeklagte Person nach dem Redebeitrag vom Lautsprecherwagen gestiegen ist. Dass sie den Beitrag auch gehalten hat, hat er nicht gesehen. Dennoch betitelte er die Person gegenüber einem Kollegen als Rednerin. Fortan wurde diese Information auch an weitere Kolleg:innen weitergegeben. Die Schlussfolgerung des Beamten, dass die angeklagte Person auch die Rednerin des Beitrages war, teilte die Richterin, obwohl es hierfür keinen Beweis gibt. Auch glaubte sie den Beamt:innen, dass es diese Beleidigung gab und empfand sie als besonders schwerwiegend, da sie öffentlich und laut über die „Flüstertüte“ geäußert wurde.
Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer für die Beleidigung eine Strafe von 50 Tagessätzen. In dem Plädoyer fiel der Staatsanwalt durch wage Schlussfolgerungen und falsche Behauptungen auf. Die Aussagen von Zeug:innen, dass die Angeklagte ihre Jacke ausgezogen haben soll, benannte er beispielsweise als „komplettes Umziehen“ und deutete dies als Beweis, dass die Angeklagte auch schuldig ist. Die Richterin übernahm die Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilte zu 50 Tagessätzen. Neben der Beleidigung wurde in dem Verfahren noch der Vorwurf der Gefangenenbefreiung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vom 1. Mai 2020 verhandelt. Hier überbot die Richterin sogar die Forderung der Staatsanwaltschaft von 60 und 80 Tagessätzen und verurteilte zu jeweils 80 Tagessätzen, die mit der Beleidigung eine Gesamtstrafe von 170 Tagessätzen bilden.
Während der Verhandlung äußerte die Richterin neben ihrem persönlichem Unmut gegen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch unsachlich ihre ablehnende Haltung zum Frauenkampftag gegenüber einem Zeugen. Den Verteidiger der Angeklagten mahnte sie indes mehrmals, unterbrach ihn und machte ihre Autorität und Entscheidungsgewalt deutlich. „Im Laufe der Verhandlung wurde deutlich, dass Richterin und Staatsanwaltschaft von der Schuld der Angeklagten überzeugt sind – Beweise waren offensichtlich nicht nötig. Eine im gesamten derart hohe Verurteilung, die zu einer Vorstrafe der Angeklagten führt, ist nicht hinnehmbar. Die Angeklagte wird vermutlich Rechtsmittel einlegen.“, so Meißner.
Das Wuppertaler Gericht ist in den letzten Jahren immer wieder durch hohe Strafmaße und Verurteilungen von Menschen aufgefallen, die im Kontext von politischen Versammlungen und Aktionen angezeigt wurden.
“Wir werden weiterhin alle Verfahren rund um den 07.03.2020 solidarisch begleiten und die Betroffenen nicht alleine lassen.”, stellt die Sprecherin des Kollektivs fest.“