Update zur Repression/Pressemitteilung

Im Kontext der „Ayayay – dieses Patriarchat“-Nachttanzdemo kam es zu überzogener Repression und Polizeigewalt. Wir haben uns im Vorfeld auf dem Blog bereits geäußert. Heute stand ein Mensch vor Gericht. Dazu haben wir eine Pressemitteilung verfasst.

„Heute fand ein Gerichtsprozess statt, in welchem eine Beleidigung verhandelt werden sollte. Zu dieser soll es am 7. März während der Nachttanzdemo gekommen sein. Angeklagt war eine Person, die in einem Redebeitrag das Wort „Bullenschweine“ gesagt haben soll. „Bereits im Vorfeld war eindeutig, dass es sich um einen Schauprozess handeln wird. Die tatsächliche Prozessführung hat uns jedoch über unsere Erwartungen hinaus schockiert.“, äußert sich Milly Meißner, Sprecherin des Kollektivs, über die Verhandlung. Die Zeug:innen, allesamt Polizeibeamt:innen eines Trupps, gaben im Verlaufe der Verhandlung an, die Angeklagte überhaupt nicht eindeutig als Rednerin des Beitrages identifizieren zu können. Ausgangssituation für die Anzeige war ein Redebeitrag auf der Demonstration, in dem die Beamt:innen glauben, das Wort „Bullenschweine“ gehört zu haben, sowie die Aussage, dass sie sich „nicht mehr sicher fühlen sollen“. Während des Beitrages wurde ein Beamter von der Einsatzleitung darauf angesetzt, die bis dato unbekannte redende Person zu identifizieren. Dieser gab jedoch an, nur gesehen zu haben, wie die dafür angeklagte Person nach dem Redebeitrag vom Lautsprecherwagen gestiegen ist. Dass sie den Beitrag auch gehalten hat, hat er nicht gesehen. Dennoch betitelte er die Person gegenüber einem Kollegen als Rednerin. Fortan wurde diese Information auch an weitere Kolleg:innen weitergegeben. Die Schlussfolgerung des Beamten, dass die angeklagte Person auch die Rednerin des Beitrages war, teilte die Richterin, obwohl es hierfür keinen Beweis gibt. Auch glaubte sie den Beamt:innen, dass es diese Beleidigung gab und empfand sie als besonders schwerwiegend, da sie öffentlich und laut über die „Flüstertüte“ geäußert wurde.
Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer für die Beleidigung eine Strafe von 50 Tagessätzen. In dem Plädoyer fiel der Staatsanwalt durch wage Schlussfolgerungen und falsche Behauptungen auf. Die Aussagen von Zeug:innen, dass die Angeklagte ihre Jacke ausgezogen haben soll, benannte er beispielsweise als „komplettes Umziehen“ und deutete dies als Beweis, dass die Angeklagte auch schuldig ist. Die Richterin übernahm die Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilte zu 50 Tagessätzen. Neben der Beleidigung wurde in dem Verfahren noch der Vorwurf der Gefangenenbefreiung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vom 1. Mai 2020 verhandelt. Hier überbot die Richterin sogar die Forderung der Staatsanwaltschaft von 60 und 80 Tagessätzen und verurteilte zu jeweils 80 Tagessätzen, die mit der Beleidigung eine Gesamtstrafe von 170 Tagessätzen bilden.
Während der Verhandlung äußerte die Richterin neben ihrem persönlichem Unmut gegen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch unsachlich ihre ablehnende Haltung zum Frauenkampftag gegenüber einem Zeugen. Den Verteidiger der Angeklagten mahnte sie indes mehrmals, unterbrach ihn und machte ihre Autorität und Entscheidungsgewalt deutlich. „Im Laufe der Verhandlung wurde deutlich, dass Richterin und Staatsanwaltschaft von der Schuld der Angeklagten überzeugt sind – Beweise waren offensichtlich nicht nötig. Eine im gesamten derart hohe Verurteilung, die zu einer Vorstrafe der Angeklagten führt, ist nicht hinnehmbar. Die Angeklagte wird vermutlich Rechtsmittel einlegen.“, so Meißner.
Das Wuppertaler Gericht ist in den letzten Jahren immer wieder durch hohe Strafmaße und Verurteilungen von Menschen aufgefallen, die im Kontext von politischen Versammlungen und Aktionen angezeigt wurden.
“Wir werden weiterhin alle Verfahren rund um den 07.03.2020 solidarisch begleiten und die Betroffenen nicht alleine lassen.”, stellt die Sprecherin des Kollektivs fest.“

Pressemitteilung

Das anarchistische Infoladen Kollektiv Wuppertal hat am 07. März 2020 eine Nachttanzdemonstration unter dem Titel “Ayayay – dieses Patriarchat” veranstaltet. Anlass war der am 8. März stattfindende internationale Frauenkampftag. Etwa 300 Menschen nahmen an der Versammlung teil, die vom Deweerthschen Garten bis zum Autonomen Zentrum zog. “Wir blicken auf eine kämpferische und laute Veranstaltung zurück, aber kritisieren die durch die Polizei ausgeübte Gewalt gegen Organisator:innen der Demo”, so Milly Meißner, eine Sprecherin des Kollektivs. Im Rahmen der Demonstration kam es zu insgesamt drei bekannten Anzeigen. Zwei davon richten sich gegen die Anmelderin, die dritte gegen eine Person, die einen Redebeitrag verlesen hatte. Der Anmelderin wird Verstoß gegen das Vereinsgesetz und gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen. Eine Rednerin erhielt eine Anzeige wegen Beleidigung. Diese soll in ihrem Beitrag vorgekommen sein. Sie wurde einige Stunden nach dem Redebeitrag von einer Gruppe Polizist:innen auf dem Nachhauseweg äußerst brutal abgefangen. Die Polizist:innen unter Einsatzleiter Patrick G. zogen sich für die Maßnahme Sturmhauben über, griffen die Person und würgten und schlugen diese. Die Person wurde dabei am Hals so stark gewürgt, dass sie an einer Hauswand ein Stück über dem Boden hing. Der einzige Zweck der Maßnahme war lediglich die Aufnahme der Personalien der Betroffenen. „Zu keiner Zeit wurde von der Person Widerstand gegen diese überzogene Polizeimaßnahme geleistet. Es handelt sich hier in unseren Augen um einen klaren Fall von Polizeibrutalität. Die Polizist:innen, die angeben, sich durch den Beitrag beleidigt zu fühlen, sind teilweise identisch mit den Ausführer:innen der eben beschriebenen Maßnahme. Sie werfen der Rednerin vor, in dem verlesenen Beitrag das Wort “Bullenschweine” benutzt zu haben“, erläutert Meißner. “Wir erleben immer wieder Polizeigewalt und Repression im Kontext von Demonstrationen. Die Folgen sind Anzeigen und Gerichtsverfahren für Betroffene, die häufig mit hohen Kosten verbunden sind. Sie dienen dazu, die Personen zu zermürben und die Veranstaltungen zu kriminalisieren, sowie Abschreckungsmomente zu zeichnen.”, heißt es weiter. Der erste Gerichtsprozess findet am 28.10. statt. Dort wird die Anzeige wegen Beleidigung verhandelt. “Wir erklären uns selbstverständlich solidarisch mit dem Menschen. Es wird sich zeigen, wie der Prozess sich entwickelt. Insbesondere mit den aktuell sehr hohen Corona-Fallzahlen halten wir es für unverantwortlich, solche Schauprozesse zu veranstalten. Wir wünschen der Person alles Gute und Kraft für die Verhandlung.”, äußert sich Meißner im Namen des Kollektivs.

Repression zum 8. März – Stellungnahme

Gut ein halbes Jahr ist sie nun her, die “Ayayay – dieses Patriarchat”-Nachttanzdemo. Am 7.3., dem Vorabend zum 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, veranstalteten wir vom Infoladen Kollektiv eine anarcha-queer*feministische Nachttanzdemo. Etwa 300 Menschen zogen durch die Wuppertaler Innenstadt, und neben guter Musik vom Lautsprecherwagen, zu der getanzt und gefeiert wurde, tönten verschiedene Parolen durch den Abend, die unsere Forderungen nach einem selbstbestimmten Leben unterstrichen. Wenn wir also zurück denken, haben wir viele kämpferische Bilder im Kopf, die uns nicht nur an diesem Abend Kraft gegeben haben und uns wirklich freuen. Aber, leider müssen wir auch an die im Rahmen der Demonstration ausgeübte Repression denken, wenn wir den Abend Revue passieren lassen. Da die staatlichen Repressionsorgane es nicht dabei belassen können, uns an dem Abend zu nerven, sondern Menschen im Nachhinein mit Anzeigen und Gerichtsverfahren belästigen, möchten wir im Folgenden Stellung zu der Repression beziehen.
Die Anzeigen richten sich zum einen gegen die Anmelderin der Versammlung, die wegen eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angezeigt wurde. Begründung: Am Lautsprecherwagen hing ein linksunten.indymedia-Transparent und die Cops sind der Meinung, dass Glasflaschen auf der Demo waren. Diese Anzeigen verzögerten das Losgehen der Demonstration enorm. Außerdem richtet sich eine Anzeige gegen eine Rednerin, der Beleidigung vorgeworfen wird. Begründung: Sie soll in einem Redebeitrag “Bullenschweine” gesagt haben. Da es sich hierbei um ein Antragsdelikt handelt, stellten unter dieser Behauptung mehrere Beamt_innen eines Trupps Anzeige gegen den Menschen. Die betroffene Person erwartet am 28.10. nun der erste Verhandlungstermin. Neben diesen konkreten Angriffen auf einzelne Personen, traten die Beamt_innen durchweg martialisch und angreifend gegenüber den Demonstrationsteilnehmenden auf und bedrohten Menschen. Auch, nachdem die Demonstration beendet war, dauerte die polizeiliche Belagerung an, indem die Cops sich vor eine im AZ stattfindende Party stellten und letzendlich sogar einen Menschen auf dem Weg zum Kiosk verhafteten.
Wir werten dieses Verhalten als einen weiteren massiven, antifeministischen Angriff auf selbstverwaltete Strukturen. Wessen Feminismus-Begriff über Rosen am Muttertag hinausgeht, und wer ihren Feminismus vielleicht sogar noch in den Kontext emanzipatorischer Befreiung setzt, wird mit Knüppel oder Anzeigen überzogen. Dabei werden Anlässe für Anzeigen konstruiert oder schlichtweg erfunden – wenn die Lüge aus dem Mund eines Cops kommt, ist sie allerdings schnell Wahrheit und reicht aus, um Menschen zu verurteilen.
Durch die Repression und damit verbundenen Verfahren und Kosten wird versucht, Menschen zu zermürben und Exemple zu statuieren. Und, zu guter letzt, Menschen und ihre Ideen öffentlich zu kriminalisieren und zu stigmatisieren.
Wir kennen das Spiel zur genüge. Dabei überrascht das Verhalten der Cops zum 8. März genau so wenig, wie ihre Nazi-Chatgruppen noch überraschen. Und dennoch, leisten sie sich immer wieder Aktionen, die noch widerlicher sind als ihre letzten. Und dennoch, gehen sie immer wieder einen Schritt weiter.
Uns reicht es.
Wir sind wütend über den Angriff auf die Nachttanzdemo und auf die betroffenen Menschen.
Aber – wir lassen uns deswegen nicht einschüchtern!

Solidarität mit den Betroffenen!
Nieder mit dem Patriarchat, dem Staat und seinen Cops! (A)

Solidarität und Kraft auch an die Betroffenen des autonomen 1. Mai der letzten Jahre und an alle anderen in Wuppertal und sonstwo, deren Idee eines befreiten Lebens dem ständigen Angriff ausgesetzt ist.

Infoladen Kollektiv Wuppertal, Oktober 2020

Redebeitrag „anarchistische Perspektive auf Care Arbeit und häusliche Gewalt“

Den Redebeitrag haben wir anlässlich der Kundgebung „Unsere Antwort auf Corona heißt Solidarität“ am 6.6.2020 gehalten.

Die Corona-Krise wirkt wie ein Brennglas auf Probleme und Missstände, die ohnehin schon da waren, aber an Ausmaß und Intensität durch sie zugenommen haben. Soziale Missstände und Gewalt verschärfen sich, und gleichzeitig brechen Strukturen weg, die diese zuvor, zumindest in Teilen, aufgefangen haben. Besonders betroffen sind dadurch Menschen, die im Vorfeld bereits betroffen waren – Menschen in prekären Lebenslagen, ohne festen Wohnsitz oder ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Auch diejenigen, die seit Jahrtausenden unter dem Patriarchat zu leiden haben, spüren die Corona-Folgen besonders. Die Rede ist von FLINT*. 

 

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Soli-Grüße an die Liebig34

Heute ist das Urteil im Räumungsprozess gesprochen worden – zugunsten des Investors Padovicz.
Wir senden euch ganz viele Solidarität, Liebe und Kraft für die nächsten Kämpfe. Ihr seid an diesen Tagen in unseren Herzen und in unseren Gedanken. Auch unser Infolama hat ihre Homies zusammengetrommelt, um zu zeigen, was sie von dem Gerichtsurteil denkt.
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hey liebig34!
we send you lots of solidarity, love and power for the upcoming struggle.
you’re in our hearts and minds these days.
even our „infolama“ drummed up her homies to show what she’s thinking about the court decision.

 

Der 1. Mai… Ein Rückblick

Der erste Mai ist schon wieder ein Wochenende her, und doch noch präsent. Was war los in Wuppertal?

Der autonome 1. Mai Blog hat dazu einen Text veröffentlicht und ein Video, dass eine äußert schicke Sponti um Mitternacht zeigt.
Spoiler: Neben gelungenen Aktionen mal wieder nen Haufen Polizeigewalt und Belagerung des Ölberges  – aber lest selbst.
Dazu gibt es einen ersten offenen Brief von Anwohner_innen des Ölbergs, zum Verhalten der Polizei an dem Tag. Und zwar hier.
Twitter-Meldungen vom Tag gibt es es hier.
Was wir ziemlich feiern, sind die vielen direkten Solidaritätsaktionen, die nach Bekanntwerden von Ingewahrsamnahmen stattgefunden haben.

Bericht zur Lage in Portugal

Wir haben den interessanten Bericht eines Gefährten aus Porto/Portugal bekommen, der über den Zustand vor Ort berichtet.

 

Covid 19 und die Situation in Portugal

Jenseits der allgemeinen Meldungen über die Erfolge der portugiesischen Regierung und des Gesundheitssystems bei der Bekämpfung der Covid 19 Pandemie geht es nachfolgend vorwiegend um eine knappe Darstellung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf die portugiesische Gesellschaft.

Zur allgemeinen Einordnung daher lediglich ein paar Zahlen und Daten bezüglich der Entwicklung in Portugal. Bis zum 26.04.2020 gab es 903 Todesfälle auf Grund der Covid 19-Erkrankung und über 23.000 Infizierte. Ein Schwerpunkt der Infektionen liegt im Norden, im Großraum Porto. Seit März 2020 wurde nunmehr dreimalig der „Estado de emergência“ erklärt, mithin der Staatsnotstand, der seit der Revolution 1974 erstmalig ausgerufen wurde und der Regierung weitreichende Rechte gewährt und Grundrechte einschränkt. Die Ausrufung erfolgte auf Initiative des Präsidenten durch das Parlament. Die sozialistische Regierung konnte hier bei den ersten zwei Ausrufungen eine absolute Übereinstimmung bei allen Parteien erreichen. Im Zusammenhang der dritten Verhängung des Notstandes kam es erstmalig zu größerer Kritik seitens der kommunistischen Partei, die vor Allem an eine Sicherung der Rechte der Arbeiter*innen erinnerte und der Partei Bloco de Esquerda (vergleichbar mit der Partei „Die Linke“).

Inzwischen ist im Anschluss an den „Estado de emergência“ die Ausrufung des „Estado de calamidade“ (Katastrophenfall) geplant. Kritik hieran entzündet sich vor Allem daran, dass im Wesentlichen dieselben Eingriffsrechte gewährt werden können und es weniger parlamentarische Kontrolle gibt. Zudem wird vertreten, dass ein Übergang vom Notstand zum Katastrophenfall verfassungswidrig wäre.

Estado policial- Pandemia do capital oder der Polizeistaat und die kapitalistische Pandemie

Portugal galt als Musterbeispiel bei der Bewältigung der Krise nach 2008 und dem „Wiederaufbau“ der Wirtschaft – welche in den Folgejahren für die Bevölkerung mit einem Abbau an Rechten und Zumutungen einherging.

Hierbei wurde vor Allem übersehen, dass der „Aufschwung“ insbesondere auf einem radikalen Ausbau des Bereichs des Tourismus beruhte, welcher eine Vielzahl prekärer und befristeter Beschäftigungsverhältnisse zur Folge hatte und vor Allem in den touristischen Zentren (Algarve, Lissabon und Porto) eine Explosion der Grundstückspreise und Mieten zur Folge hatte. Hierdurch wurden die Innenstädte zu einem Großteil von den Bewohnern gesäubert und Hostels oder Ferienwohnungen für Touristen geschaffen. Ein Großteil der Bevölkerung fand sich sodann in den Randbezirken der Großstädte mit ihren Sozialwohnungen wieder.

Seit der ersten Ausrufung des Notstandes im März ist die Wirtschaft quasi komplett zum Erliegen gekommen. Viele Firmen wie Bosch, VW etc. haben ihre Produktion eingestellt und der Tourismus ist komplett zum Erliegen gekommen. Dies hat z.B. an der Algarve zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen im März 2020 um 41 Prozent geführt. Insgesamt liegt die Arbeitslosenquote inzwischen bei fast 10 Prozent.

Hinzukommt, dass durch die den Notstand begleitenden Gesetze eine Vereinfachung des sog. „Lay-off“ eingeführt wurde, wonach eine Ruhendstellung des Arbeitsverhältnisses bzw. Kurzarbeit bis auf 0h möglich wurde. Betroffen hiervon sind fast 1.000.000 Menschen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Menschen, die als Hausangestellte oder „Selbständige“ -etwa als Touristenführer- über keinerlei Absicherung oder Arbeitsverträge verfügen. Bei der Gesamteinwohnerzahl 10.000.000 werden die Ausmaße deutlich.

Bei allen Parteien, gesellschaftlichen Gruppen und Wirtschaftsexperten besteht Einigkeit, dass die nunmehr folgende Krise weitreichendere Auswirkungen haben wird, als die letzte Krise in Folge der Ereignisse von 2008. Durch die Regierung wurde bereits versucht umfangreiche Programme zur Stützung der Wirtschaft zu initiieren.

Um die durch die Ausrufung des Notstandes ausgerufene weitgehende Ausgangssperre – es ist das Verlassen des eigenen Grundstücks oder der Wohnung im Wesentlichen nur für die Arbeit, Einkäufe oder Arztbesuche erlaubt- durchzusetzen, verfügen die Polizei und weitere Sicherheitskräfte über weitestgehende Eingriffsmöglichkeiten. Es kommen alle Mittel der Überwachung und Aufstandsbekämpfung zum Einsatz. So sind etwa Straßensperren an Ein-und Ausfallstraßen und Bahnhöfen errichtet worden. Die Polizei setzt auch in großem Umfang Drohnen zur Überwachung des öffentlichen Raums ein. Über Ostern und geplant für die Zeit um den 01.05. war zudem das Verlassen der Heimatgemeinde gänzlich untersagt.

Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es sich hierbei um gerade die Polizei handelt, die in den vergangenen Monaten wegen Übergriffen insbesondere gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund negativ in die Schlagzeilen geraten war. Eben diese kann mit dem Instrument und der Begründung, es sei gegen die Bestimmungen des Regelungen des Notstandes verletzt worden, was eine Straftat darstellt sämtliche Menschen festnehmen was noch schwerer wiegt, da auch die Bürgerrechte wie das „Widerstandsrecht“ abgeschafft wurden.

In den mehr als 6 Wochen des Notstandes sind bislang mehrere Hundert Personen wegen Verletzung der öffentlichen Ordnung festgenommen worden, das Strafmaß reicht hierbei bis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren.

Eingeschränkt wurden zudem gewerkschaftliche Mitsprache und Eingriffsrechte und es wurden Möglichkeiten für Betriebe geschaffen, Rechte aus Arbeitsverträgen einzuschränken oder etwa Überstunden anzuordnen.

Dem stehen Regelungen gegenüber, die die staatliche Nutzung oder Einschränkung von Privateigentum ermöglichen oder erleichtern, etwa im Rahmen von Betretungsrechten. Es besteht sogar die Möglichkeit, Beschäftigte des öffentlichen Sektors aber auch des privaten Sektors zu Arbeiten zu verpflichten, sollten Betriebe der Daseinsvorsorge gefährdet sein.

Besonders bezeichnend ist das Beispiel einiger Firmen und Unternehmen, die trotz Gefährdungen der Arbeiter*innen zunächst weiterarbeiten wollten.

So kam es zu Protesten im Volkswagen-Werk Autoeuropa und vor Allem im Sektor der Callcenterarbeiter*innen.

Dieser Sektor ist in Portugal sehr ausgeprägt. Es gibt eine Vielzahl von Projekten internationaler Firmen, die die geringen Löhne nutzen, um Projekte aus den Ursprungsländern zu outsourcen, u.a. Apple, Deutsche Post, DHL, diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Hier hat die Basis- und Branchengewerkschaft STCC (Gewerkschaft der Arbeiter*innen Call Center), welche im Gegensatz zu den staatstragenden Mehrheitsgewerkschaften der CGTP Wert auf Unabhängigkeit von Parteien legt dafür gesorgt, dass in Betrieben, die trotz positiven und bestätigten Covid-Fällen weiterarbeiteten der Rechtsanspruch auf Homeoffice für die Arbeiter*innen durchgesetzt wurde und die Betriebe geschlossen wurden. Dies war besonders notwendig, da die Unternehmen der Callcenter- Branche von der Krise profitiert haben und in diesem Sektor im März sogar noch Überstunden gemacht und neue Arbeiter*innen eingestellt wurden, ohne dass es die staatlicherseits für geöffnete Betriebe angeordneten Sicherheitsmaßnahmen gegeben hätte, wie Abstand, Desinfektionen etc.

 

 

E agora como pago a renda? Und jetzt, wie zahle ich die Miete? Continue reading „Bericht zur Lage in Portugal“

Heraus zum autonomen 1. Mai 2020

Wir dokumentieren hier den Aufruf veröffentlicht unter: autonomer1mai.noblogs.org

Heraus zum autonomen 1. Mai 2020!


Wir rufen trotz, nein, gerade wegen der Corona-Pandemie zu einem erst recht widerständigen und autonomen 1. Mai auf. Der massive Angriff auf Grundrechte, die drastische Zuspitzung der autoritären Formierung zu einem Polizeistaat (denn was sonst ist ein Staat, in dem die Polizei bestimmt, wer sich wie, wann und wo mit wem treffen darf?), die aufziehende Weltwirtschaftskrise, deren Folgen natürlich auf die Rücken der Prolet_innen, der Prekären, der Ausgestoßenen und Unterdrückten abgewälzt werden soll, schreien nach offensiven Antworten.

Und diese Antworten müssen wir möglichst schnell finden! Die vergleichbare Gemütlichkeit, mit der wir in der Zeit vor Corona agieren konnten, ist jetzt vorbei. Alle Menschen, die das Ziel einer für alle besseren, gerechten und freien Welt nicht einfach stillschweigend begraben wollen, müssen jetzt leider viel mehr Risiko eingehen, als es noch vor kurzem der Fall war und schwerer noch, müssen wir viel mehr Mitstreiter_innen finden, als wir sie bisher hatten!

Unter diesen Umständen wollen wir diesen 1. Mai dafür nutzen, neue (oder alte auffrischende) Erfahrungen mit klandestinem (verdecktem, subversivem) Handeln zu sammeln. Es wird eine große Herausforderung, dem Bullenapparat ein Schnippchen zu schlagen und gleichzeitig viele Menschen mit unseren Ideen und Diskussionsbeiträgen zu erreichen.
Dafür brauchen wir Geschick, Organisation, Entschlossenheit, viel Witz und ein klein bisschen Glück.

Unser Vorschlag geht so: Kommt am 1. Mai in Wuppertal auf die Straße! Organisiert euch in Bezugsgruppen, seid aktionsbereit, in der Lage euch unauffällig zu bewegen und möglichst mobil dabei. Wenn ihr keine Infos zu organisierten Aktionen habt, wartet nicht auf diese, sondern handelt autonom! Wir fordern auch explizit Menschen und Zusammenhänge aus anderen Städten auf, die Reise nach Wuppertal zu wagen!

Es wird organisierte Aktionen geben! Haltet unbedingt Augen und Ohren offen, um an die entsprechenden Infos zu kommen. Seid flexibel und denkt mit. Das letzte Jahr hat gezeigt, dass wir die Bullen auf dem falschen Fuß erwischen können! Was folgt, ist also Streich zwei unter erschwerten Bedingungen. Der 1. Mai kann nicht konsumiert werden – ob das Vorhaben gelingt, hängt von uns allen ab!

Treffpunkt ist wie jedes Jahr, das Autonome Zentrum um 14 Uhr. Ihr seid schlau, ihr wisst Bescheid!
Was jedoch in diesem Jahr aller Voraussicht nach nicht wie in üblicher Form stattfindet, ist das Straßenfest nach der Demonstration auf dem Schusterplatz.

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